top of page
  • AutorenbildChristian Gersbacher

LGBTQ* feindliche Hasskriminalität erreicht neuen Höchststand in Deutschland: Über 1000 Fälle



Gewalt und Hass gegen LGBTQ*- Personen nehmen in Deutschland drastisch zu.

Laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2021 insgesamt 1.051 Straftaten im Bereich der Politisch-Motivierten Hasskriminalität im Unterthemenfeld "Geschlecht/Sexuelle Identität" bzw. "Sexuelle Orientierung"erfasst.


Damit erreicht Deutschland einen neuen Höchststand. Im Vergleich: 2020 wurden insgesamt 782 Straftaten von LGBTQ*-feindlicher Hasskriminalität erfasst. Das war im Vergleich zu 2019 bereits ein Anstieg von über 36 %. Die Welle der Gewalt gegenüber LGBTQ* scheint ungehindert weiterzugehen.


Warum sind LGBTQ* besonders gefährdet Betroffene von Hass- und Gewaltstraftaten zu werden?
  • Vorurteile und Diskriminierung: Vorurteile und Stigmatisierung erhöhen das Risiko für queere Menschen Opfer von Hass und Gewalt zu werden und fördern die Entstehung von Victim Blaming (Täter-Opfer-Umkehr).

  • Entmenschlichung: Hass- und Gewaltverbrechen können auch durch die Entmenschlichung von Opfern entstehen. Wenn jemand als "nicht-menschlich" oder "minderwertig" betrachtet wird, kann es einfacher sein, ihm gegenüber Gewalt anzuwenden.

  • Gruppendynamik: In manchen Fällen können Gruppen von Menschen, die ähnliche Vorurteile und Feindseligkeiten gegenüber einer Gruppe teilen, sich gegenseitig ermutigen, Verbrechen gegen LGBTQ* zu begehen. Auch gesellschaftliche Stimmungen spielen eine Rolle.

  • Mangelnde Aufklärung und Unterstützung: Starke Vorurteile und Stigmatisierung innerhalb der Polizei erschweren die Aufklärung von Verbrechen gegenüber queeren Menschen.


Hohe Dunkelziffer und niedrige Aufklärungsquoten

Das Problem bleibt weiterhin, dass nur ein Bruchteil LGBTQ*-feindlicher Hasskriminalität bislang von den Polizei in den Bundesländern angemessen erfasst und klassifiziert wird. Mit Ausnahme von Berlin und Bremen veröffentlicht kein Bundesland regelmäßig die gemeldeten Zahlen und weist LGBTQ*-feindliche Straf- und Gewalttaten gesondert aus. Die Dunkelziffer dieser Stafttaten ist deutlich höher: Ein zuständiger Ansprechpartner der Berliner Polizei schätzt sie einem Bericht von rbb24 zufolge auf 80-90%. Selbst wenn es zu einer Anzeige kommt, können viele Fälle nicht aufgeklärt werden.

In Baden-Württemberg ist die Aufklärungsquote im Berichtszeitraum 2020 mit 13,33% erschreckend gering.

Quelle: Stellungnahme des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 08.11.2021.

Innenministerkonferenz ohne nennenswerte Ergebnisse

Im Dezember haben sich die 16 Innenmister*innen bei der 215. Innenminsterkonferenz erstmalig in der deutschen Geschichte mit dem Thema LGBTQ* feindliche Hasskriminalität beschäftigt. Notwendige erste sinnvolle Schritte, wie eine einheitliche Datenerfassung bleiben aus. Das Thema wurde weiterhin nach hinten verschoben. Lediglich einen ersten Bericht möchte man bis zur nächsten Herbstkonferenz anfertigen. Dringend notwendig ist eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, damit LGBTQ*-feindliche Hasskriminalität in ihren realen Ausmaßen sichtbar wird. Nur mit den entsprechenden Daten können Präventionsmaßnahmen sinnvoll eingesetzt werden. Erforderlich ist zudem ein Bund-Länder-Programm gegen LGBTQ*-feindliche Gewalt. Länder und Kommunen müssen die Arbeit von LGBTQ*-Anti-Gewalt-Projekten angemessen fördern. Eine Investition in besser Präventionsmaßnahmen und die Datenerfassung schütz nicht nur Menschenleben, sondern erspart erheblichen Folgekosten, die durch Strafverfolgung und die Schäden für die Opfer entstehen.


Warum ist das wichtig?

Wenn Straftaten nicht verfolgt werden, können Täter:innen ihre Tat rechtfertigen und ihr Verhalten rationalisieren, um ihre Handlungen als notwendig, legitim oder sogar rechtmäßig darzustellen. Dadurch können solche Taten im schlimmsten Fall normalisiert werden. Zudem ist eine mangelnde Strafverfolgung ein wichtiger Faktor, der es ermöglicht, dass Verbrechen von der Öffentlichkeit übersehen werden und Straftaten gegenüber besonders gefährdeten Gruppen wie LGBTQ* nicht als Verletzungen gegenüber "echten" oder "vollwertigen" Menschen wahrgenommen werden. Zudem wird Victim Blaming (Täter-Opfer-Umkehr) durch Mängel und Diskriminierung in der Strafverfolgung begünstigt


Umfrage unter 16.000 LGBTQ* in Deutschland liefert Zahlen:

In einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur (FRA) aus dem Jahr 2020 geben 45% der Befragten an, dass sie es vermeiden, mit ihrem Partner*/ ihrer Partnerin* in der Öffentlichkeit Händchen zu halten.

26% der Befragten berichten, dass sie in den letzten fünf Jahren gewalttätig angegriffen wurden, weil sie LGBTQ* sind.


Das Gefühl der Unsicherheit im öffentlichen Raum ist jeder queeren Person in Deutschland bis heute nur allzu gut bekannt und stellt eine erhebliche Einschränkung der persönlichen Freiheit da. Der ungebremste Anstieg an Straftaten von Hasskriminalität gegenüber LGBTQ* ist ein Armutszeugnis für die deutsche Innenpolitik. Wenn wir ein offenes und vielfältiges Land sein wollen, dürfen wir diese Ungerechtigkeit nicht weiter tolerieren. Jede Person hat Anspruch darauf, dass ihr Recht auf Leben, Sicherheit und Schutz vor Gewalt unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität respektiert wird.


Du willst etwas verändern? Dann schau bei meiner Petition gegen die steigende Hasskriminalität gegenüber LGBTQ* vorbei.


bottom of page