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AutorenbildChristian Gersbacher

Nikita aus Moskau: Junge Journalisten von DOXA im Widerstand



Nikita Kuchinsky hat gerade seine Journalismusstudium an der Moskau State University abgeschlossen und Russland wenige Tage nach der Inversion in der Ukraine verlassen. Seinen genauen Aufenthaltsort möchte er aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Seit 2020 arbeitet der 22-jährige als Redakteur für das russische Studentenmagazin DOXA. Unabhängiger Journalismus sei in Russland derzeit nicht mehr möglich, sagt Nikita. Mittlerweile hat die gesamte 30-köpfige DOXA-Redaktion Russland verlassen. Journalist:innen stehen in Russland derzeit vor der Wahl: ’’Entweder du verlässt Russland oder du stellst deine Arbeit ein“.


DOXA: Ein Studentenmagazin leistete Widerstand gegen Zensur

DOXA wurde 2017 von Studierenden der Higher School of Economics (HSE) in Moskau gegründet und hat sich zu einer Plattform für Diskussionen über aktuelle politische und gesellschaftliche Themen, systematische sexuelle Belästigung und die Probleme russischer Studierender entwickelt. Bereits 2019 wurde DOXA aus politischen Gründen der Status als studentische Organisation aberkannt, die Gründer und Redakteure führen das Projekt jedoch weiter. Im April 2021 wurden vier Redaktionsmitglieder für mehrere Monate unter Hausarrest gestellt. Auslöser war die Veröffentlichung eines Videos mit dem Titel "Sie werden die Jugend nicht besiegen", das DOXA im Zusammenhang mit der Verhaftung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny geteilt hatte. DOXA berichtete immer mehr über Repressionen gegenüber Studierenden, Polizeigewalt und hat einen Spendenfonds eingerichtet, der Demonstrierenden hilft Geldstrafen zu bezahlen. Auf der Seite von Doxa bekommen junge Russ:innen z.B. Tipps für den Umgang mit Behörden, wie man Briefe an politische Gefangene schreibt oder was der Krieg mit der Zunahme von häuslicher Gewalt zu tun hat. In einem anderen Artikel findet sich ein Bericht über junge Ukrainer:innen, die auf TikTok über ihre Erlebnisse während des Krieges berichten.


Seit der russischen Invasion in der Ukraine wurde die Webseite von DOXA sofort blockiert und ist derzeit nur über VPN erreichbar. DOXA ist eines der wenigen verbliebenen russischen Medien, die offen über den Krieg in der Ukraine berichten. Die Redaktion verschickt regelmäßig ihren „Antikriegs-Newsletter" und schreibt darüber, wie junge Menschen den Krieg wahrnehmen und berichtet gleichzeitig offen über die Opfer in der Ukraine.


Kundgebung in Moskau, Foto: Kirill Kruglikov, Unsplash


Das Problem für die Journalist:innen ist, dass sie für ihre Berichterstattung nur noch Quellen der staatlichen russischen Nachrichtenagentur oder der russischen Behörden nutzen dürfen. Wenn du zum Beispiel in einem Artikel Informationen des ukrainischen Verteidigungsministeriums zitierst, kannst du strafrechtlich verfolgt werden und im Gefängnis landen", sagt Nikita.


Was bedeutet es in Russland Journalismus zu studieren?

Es ist keineswegs so, dass es in Russland keine kritischen Stimmen mehr gibt. Die Situation während meines Journalismusstudiums an der Moskauer Staatlichen Universität sei ganz anders gewesen, sagt der 22-Jährige. Es gibt Professor:innen, die der russischen Berichterstattung kritisch gegenüberstehen, allerdings drohen diesen Repressionen, was das Ganze nicht einfacher macht. Natürlich gibt es auch regierungsnahe Professor:innen, die versuchen, Student:innen zu beeinflussen. »Für mich und meine Freunde hat das aber keinen Sinn, wir glauben nicht an die russische Propaganda.«


Vorlesung an der Moskau State University, Foto: Max Shilov / Unsplash


Unabhängige Journalist:innen im Exil

Seit Beginn der russischen Invasion haben viele unabhängige Journalist:innen das Land verlassen. Einige meiner Freunde sind nach Armenien und Georgien ins Exil gegangen", erzählt Nikita. Dort braucht man nur einen gültigen Pass, und in der georgischen Hauptstadt Tiflis gibt es Selbsthilfegruppen und kulturelle Aktivitäten für Exilrussen.

Bürokratische Hürden stehen derzeit russischen Journalist:innen im Weg, um in europäischen Ländern wie Deutschland arbeiten zu können. Viele russische Journalisten:innen verfügen nur über ein Touristenvisum, das maximal 90 Tage gilt. Um ein Visum für einen längeren Aufenthalt zu erhalten, muss eine individuelle Gefährdung als politisch Verfolgte vorliegen. Journalist:innen müssen nachweisen, dass sie wirklich Repressionen ausgesetzt sind. Neben den Visaproblemen ist die Finanzierung eine der großen Herausforderungen für russische Exiljournalist:innen. Ohne Einnahmen aus Spenden und Fundraising-Kampagnen können unabhängige Medien nicht überleben.


In der aktuellen Situation ist es für unabhängige Medien in Russland das wichtigste, dass sie irgendwie weiterarbeiten können. Es ist sehr wichtig für die Menschen in Russland, dass wir offenen und unabhängig über die Wahrheit des Krieges in der Ukraine berichten können.

Mit DOXA wollen wir weiterhin unabhängigen Journalismus für junge russische Student:innen betreiben, denn gerade Umfragen zeigen, dass die Unterstützung für Putin und die russische Inversion bei der jüngeren Generation deutlich schwächer ausgeprägt ist, sagt Nikita.


Eine Umfrage des Lewada-Zentrums, zeigt den Generationenunterschied bei der Befürwortung der russischen Inversion. Lewada zählt zu den wenigen verbliebenen unabhängigen Meinungsforschungsinstituten in Russland.



In Zukunft möchte Nikita nach Russland zurückkehren und hofft, dort eines Tages als unabhängiger Journalist ohne Zensur und Repressionen arbeiten zu können. Bis dahin wird er aus dem Exil seine Stimme für die Wahrheit erheben.


Mehr Infos zu DOXA:

Instagram: @doxa_journal

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