Rund ein Drittel der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland nutzt TikTok regelmäßig. Wer wissen will, was junge Menschen bewegt, kommt an TikTok nicht vorbei. Trotz der potenziellen Vorteile für queere Menschen mehr Sichtbarkeit zu bekommen, gibt es auch kritische Ansichten über die Rolle der sozialen Medien bei der Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber LGBTQ*.
Ein Gespräch Maximilian Pichlmeier aus München über queere Inhalte, Queerbaiting und Zensur bei TikTok. Der 27-jährige Münchner gibt Tipps, spricht über Vorurteile gegenüber Schwulen und aktuelle Themen der LGBTQ*-Community. Viele seiner Inhalte sind auch sehr politisch. Während der Bundestagswahl 2021 berichtete er über die queerpolitischen Forderungen der verschiedenen Parteien in ihren Wahlprogrammen oder über die Situation von LGBTQ* in Ungarn.
"Als ich so um die 14 Jahre alt war, gab es einfach niemanden, der schwul war, in der Öffentlichkeit stand und ein Vorbild für mich war“, sagt Maxi.
Genau für diese jungen Menschen will er heute über queere Themen aufklären. TikTok ist dabei die perfekte Plattform, weil sie für jeden frei zugäugig ist. Gerade in der eigenen Findungsphase kann man so einfach und unkompliziert Infos über queere Themen erhalten. Die am meisten auf TikTok vertretene Altersgruppe ist 14 bis 24 Jahre alt. Ein Alter in dem viele sich mit ihrer Sexualität und Geschlechtsidentität auseinanderzusetzen. Aktuelle Umfragen von Gallup in den USA zeigen, dass sich der Anteil der Befragten, die sich als LGBTQ* identifizieren bei der Generation Z auf 20,8 Prozent gestiegen ist. Soziale Medien sind für queere Menschen Orte, an denen Communities entstehen. Viele homosexuelle Jugendliche können auf Social Media zum ersten Mal in ihrem Leben erleben, dass sie nicht allein sind.
Social Media ermöglicht uns heute unbegrenzt Zugang zu queere Inhalten zu erhalten.
"Vor allem geht es hierbei nicht immer nur um Sex, sonder zeigt, dass queere Menschen auch ein ganz normales Leben haben.“, sagt Maxi. Auch heterosexuellen Menschen kann queerer Content dabei helfen, eigene Vorurteile und Stereotype kritisch zu hinterfragen und sich niederschwellig auf Social Media mit Themen der LGBTQ* Community auseinanderzusetzen. "Natürlich gibt es auch mal querfeindliche Komentare oder Hate Nachrichten", sagt Maxi. Für ihn überwiegen aber die positiven Rückmeldungen.
Maxi ist in München aufgewachsen, hat dort Politikwissenschaften studiert und arbeitet heute als freiberuflicher Journalist und Redakteur. Sein eigens Coming Out hatte er bei einem Kumpel mit 20 betrunken in einem Münchner Club. Der stellte ihm damals erstmal die ganz klischeehafte Frage: "Du stehst aber nicht auf mich, oder? ". Sein Kumpel hatte sein Outing nicht erwartet, ging später aber recht entspannt damit um. Das ganzes Interview mit Maxi findest du im meinem Podcast VielfaltTALKS und auf TikTok findest du Maxi unter: maxls_tiktok.
Was ist eigentlich Queerbaiting auf TikTok?
Unter Queerbaiting versteht man Content, der von heterosexuellen Creator:inner erstellt wird, um mehr Reichweite zu erzielen. Ähnlich wie ,,Pink Washing" bei Unternehmen während des Pride Month. Dabei werden Szenen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen gezeigt, die eine Verbindung zu queere Themen darstellt oder Firmen die ihre Logos zu Marketingzwecken in Regenbogenfarben färben. Tatsächlich setzen sich diese Personen aber nicht wirklich mit queeren Themen auseinander. Dabei geht es letztlich nur um höherer Reichweite und Marketing, aber nicht um Aufklärung.
Zensiert TikTok queere Inhalte?
Quelle: tagesschau
Wer die Videos zu sehen bekommt entscheidet auf TikTok der Algorithmus. Bei TikTok kann sich somit auch ein Video eines unbekannten Accounts viral verbreiten. Eine Recherchen von NDR, WDR und Tagesschau zeigt, dass TikTok Beiträge von Nutzern, die bestimmte Wörter enthalten, zensiert. TikTok soll Kommentare unter Videos mit bestimmen Begriffen – darunter auch Wörter wie "homosexuell", "LGBTQ", "queer" oder „schwul“- automatisch unterdrücken. Das bedeutete, dass Content mit queeren Inhalten weniger Reichweite bekommt und weniger Nutzer angezeigt wird. Diese Praxis nennt man „Shadow-Banning“. Das bedeutet, die Kommentare bleiben zwar stehen, aber niemand außer die Ersteller:innen selbst sieht sie. TikTok hat mittlerweile die Benutzung von Wortfilter bestätigt. Laut Berichten der Tagesschau sollen wieder einige der Begriffe freigeschaltet worden sein. TikTok hat eine Untersuchung angekündigt, um diesen und potenziell ähnliche Fehler zu korrigieren. Wie genau der Algorithmus funktioniert, gibt das Unternehmen jedoch nicht preis.
Bringen Soziale Medien wirklich mehr Akzeptanz für queere Menschen?
Trotz der potenziellen Vorteile gibt es auch kritische Ansichten über die Rolle der sozialen Medien bei der Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber LGBTQ*. Eine wichtige Frage ist, ob Nutzer:innen, die bereits Vorurteile haben, ihre Meinung durch die Nutzung sozialer Medien tatsächlich ändern. Häufig haben Menschen ihrer Meinung bereits gefestigt und konsumieren bevorzugt Inhalte, die ihre bestehenden Vorurteile bestätigen, als nach alternativen Sichtweisen zu suchen. Darüber hinaus können Soziale Medien schnell zu Plattformen für Hassreden und Diskriminierung werden. Trolle und Hate Speech sind weit verbreitet, und LGBTQ*-Personen sind besonders anfällig für solche Angriffe. Wenn sich Nutzer über queere Themen lustig machen, stereotype Darstellungen verwenden oder diskriminierende Hasskommentare abgeben, können Vorurteile weiter verbreitet und queere Menschen bewusst negativ dargestellt werden.. Diese negativen Erfahrungen können dazu führen, dass sich LGBTQ*-Personen aus den sozialen Medien zurückziehen und weniger bereit sind, ihre Identität offen mit anderen zu teilen.
Die Frage, ob TikTok Vorurteile gegenüber LGBTQ* abbauen können, ist komplex. Soziale Medien können sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Die Verbreitung von Informationen und Geschichten über LGBTQ* kann das Bewusstsein schärfen und Vorurteile abbauen. Durch kurze, prägnante TikTok Videos können queere Inhalte schnell viral gehen und ein breites Publikum erreichen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich aktiv gegen Hassrede und Diskriminierung in Sozialen Medien einzusetzen. Zudem bleiben auch Datenschutz und die mögliche Zensur durch den Algorithmus weiterhin kontroverse Themen für TikTok.
Nur wenn die Herausforderungen, die mit Hassreden und algorithmischen Entscheidungen einhergehen, aktiv von TikTok angegangen werden, kann die Plattform wirklich ein vielfältiges und inklusives Umfeld für die LGBTQ*-Community sein.
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